Forderungsfinanzierungen im Überblick – Stilles und offenes Factoring
Das Factoring ist eine gute Option für Unternehmen, um ihre Forderungen zu verkaufen und die eigene Liquidität zu steigern. Diesen Vorgang können Sie Ihren Debitoren gegenüber entweder offen legen oder als im stillen Verfahren betreiben. Doch wie genau funktioniert stilles und offenes Factoring? Worin liegen die Vor- und Nachteile der jeweiligen Factoring-Arten? Gibt es Unterschiede bei den Kosten? Wir liefern Ihnen Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist der Unterschied zwischen stillem und offenen Factoring?
Die Definition von offenem und stillem Factoring basiert zunächst auf demselben Prinzip der Forderungsfinanzierung. Grundlegend unterscheiden sie sich nur hinsichtlich der Transparenz. Beim offenen Factoring wissend die Debitoren Bescheid über den Forderungsverkauf. Sie erhalten ein neues Rechnungsdokument, das für den gesamten Bezahlprozess im Mittelpunkt steht. Bei der stillen Variante hingegen bleibt der Factor im Hintergrund. Wegen des erhöhten Risikos fallen hier allerdings auch höhere Gebühren an, da die Factoring-Firma keine Kontrolle der Schuldnerinnen und Schuldner vornehmen kann. Der gesamte restliche Ablauf erfolgt jedoch bei beiden Factoring-Arten nach demselben Prinzip.
In diesem Artikel stellen wir Ihnen die Varianten des stillen und offenen Factoring im Detail vor. Sie suchen nach weiteren Informationen über verschiedene Arten der Forderungsfinanzierung? Unser Überblick zu den Factoring-Arten stellt Ihnen die einzelnen Optionen kompakt vor.
Was ist offenes Factoring
Bei der Definition des offenen Factoring taucht oftmals auch der Begriff „Notification Factoring“ auf. Was bedeutet, dass der Factor Ihre Kundschaft mit einem Abtretungsvermerk auf der Rechnung über den Forderungsverkauf informiert. Der Ablauf des offenen Factoring erfolgt also zunächst in Form eines Notifikationsschreibens, das die Debitoren über die neuen Zahlungswege informiert. Zeitgleich schicken Sie die Forderung an den Factor:

Sobald Sie die Forderung beim Factor einreichen, erhalten Sie 80 bis 90 Prozent der Forderungssumme sofort ausgezahlt. Der Rest gilt als Sicherheitseinbehalt, den Sie zurückerhalten, sobald die Schuldnerin oder die Schuldner die Rechnung auf das Konto des Factoring-Anbieters begleicht:

Diese Form des Factoring lohnt sich für Unternehmen jeder Größe, um die eigene Liquidität zu stabilisieren oder zu erhöhen.
Empfohlene Factoring-Kombinationen
Die offene Variante können Sie mit verschiedenen anderen Factoring-Arten kombinieren. So nehmen viele Betriebe das offene Factoring zum Beispiel als Full-Service-Option in Anspruch. Denn nur beim offenen Verfahren setzt der Factor alle Leistungen im vollen Umfang um. Dies birgt nicht nur hinsichtlich der Liquidität viele Vorteile. Durch das Debitorenmanagement entlastet der Factor ebenso Ihre Buchhaltung und das Rechnungswesen. Außerdem betreiben viele moderne Factoring-Firmen ihre Leistungen beim offenen Factoring ebenfalls online als digitales Forderungsmanagement. Dadurch sparen Sie Zeit, indem Sie die Rechnungen schnell und einfach digital einreichen und von einer zügigeren Bonitätsprüfung profitieren.
Hinweis zum halboffenen Factoring
Beim halb-offenen Factoring informieren Sie Ihre Debitoren nicht über den Verkauf der Forderungen an einen Factor. Trotzdem teilen Sie in der entsprechenden Rechnung die Bankverbindung des Factors mit. Dort erhält die Schuldnerin oder der Schuldner die Anweisung, den Betrag auf das angegebene Konto zu leisten. Dies kann bei Ihrer Kundschaft zu Verunsicherungen führen und birgt daher mehr Nach- als Vorteile.
Voraussetzungen für das offene Factoring
Im Vergleich zu anderen Factoring-Arten gibt es speziell für das offene Factoring keine abweichenden Voraussetzungen. Hier gelten also die grundlegenden Ansprüche an die Forderungen und Unternehmen im Allgemeinen:
- Vollständige Erbringung der Warenlieferung oder Dienstleistung
- Keine Abtretung oder Pfändung der Forderung
- Zahlungsziele zwischen 30 und 90 Tagen
- Jahresumsatz ab mindestens 100.000 Euro
- Positive Bonitätsprüfung Ihres Unternehmens
Offenes Factoring in der Steuer und Bilanzierung
Im Steuerrecht fallen die Leistungen des Factoring nicht unter „sonstige Leistungen“. Stattdessen ist das Factoring eine Leistung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes und damit grundsätzlich steuerpflichtig. Hinsichtlich der Bilanzierung spielt es hingegen eine Rolle, ob Sie die offene Option als echtes oder unechtes Factoring in Anspruch nehmen. Denn beim echten Factoring bilanziert der Factor die Forderung, wodurch die Summe nicht mehr in der Bilanz des Unternehmens erscheint. Dadurch erhalten Sie zum Beispiel ein besseres Bankenrating.
Vor- und Nachteile des offenen Factorings
Generell gibt es beim offenen Factoring keine Nachteile für ein Unternehmen. Lediglich das halb-offene Factoring kann die Kundschaft verunsichern auf Kosten des Vertrauens. Im Umkehrschluss ist das halb-offene Factoring möglicherweise sogar wegen der Rückfragen der Kundinnen und Kunden zeitraubend.
Hinsichtlich des Images eines Unternehmens birgt das offene Factoring keine Probleme. Dabei handelt es sich lediglich um ein Vorurteil. Viele moderne Firmen kennen und nutzen bereits die Vorteile der Forderungsfinanzierung:
- Factoring gilt als ein Zeichen von einem soliden Geschäftsbetrieb, da der Betrieb die Anforderungen der Factoring-Gesellschaft erfüllt.
- Transparente Prozesse und damit geringeres Risiko
- Geringere Kosten, da kleinerer administrativer Aufwand
- Entlastung des Personals und der hauseigenen Buchhaltung, da Sie Mahn- und Rechnungswesen auslagern können
- Abgabe des Ausfallrisikos an den Factor möglich
Was kostet offenes Factoring?
Im Gegensatz zum stillen Factoring verursacht diese Variante weniger Kosten. Warum? Der Factor benötigt weniger Zeit für die administrativen Aufgaben. Die finalen Kosten für das Factoring setzen sich aus der Factoringgebühr, dem Zinssatz für die Vorfinanzierung sowie der Prüfgebühr zusammen.
Preisbeispiel offenes Factoring
Bei einem Jahresumsatz von 7,4 Millionen Euro und 38 Debitoren liegt die Factoringgebühr bei etwa 0,48 Prozent. Pro Debitor fallen 10 Euro für die Prüfgebühr an. Außerdem zahlen Sie 3,5 Prozent Zinskosten bei einer 90-prozentigen Vorfinanzierung. Insgesamt kostet Sie der Factoring-Prozess also in diesem Fall etwa 45.175 Euro jährlich.
Was ist stilles Factoring?
Per Definition handelt es sich beim stillen Factoring um eine verdeckte Variante der Forderungsfinanzierung. Diese Factoring-Art ist eine gute Alternative, falls Ihre Kunden dem Verkauf der Forderungen nicht zustimmen oder keine Offenlegung wünschen. Viele größere Industrieunternehmen oder Konzerne nehmen daher diese Lösung eher in Anspruch als KMU. Generell finanziert der Factor die Summe genauso wie beim offenen Factoring direkt nach Rechnungsstellung vor:

Im Bezug auf den Ablauf beim stillen Factoring gibt es auf der Rechnung keinen Abtretungsvermerk. Stattdessen zahlt die schuldende Instanz den Betrag auf ein Extrakonto des Unternehmens. Dieses Konto tritt das Unternehmen dann an den Factor ab:

Falls der Debitor jedoch nicht zahlt, nehmen Sie als Unternehmen das Mahnwesen erst mal selbst vor. Erst im letzten Schritt kann sich die Factoring-Firma unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Inkasso einschalten. Doch auch die gerichtlichen Inkassomaßnahmen erfolgen erst nach Absprache.
Empfohlene Factoring-Kombinationen
Das stille Verfahren betreiben viele Unternehmen als Inhouse-Factoring. Beim stillen Inhouse-Factoring übergeben Sie die überfälligen Forderungen erst zum 31. oder 61. Tag des Zahlungsverzugs. Außerdem übernehmen Sie das gesamte Forderungsmanagement selbst. Dadurch steht es Ihnen frei, die Ansprache überfälliger Debitoren selbst zu wählen und individuell zu betreiben. Allerdings setzt dieser Prozess auch ein professionelles Debitorenmanagement in Ihrem Betrieb voraus. Generell tritt die Factoring-Gesellschaft aber zu keinem Zeitpunkt mit der Kundin oder dem Kunden in Kontakt. Nichtsdestotrotz nutzen viele Firmen die stille Variante als echtes Factoring. Damit verbleibt das Ausfallrisiko komplett auf der Seite des Factors.
Voraussetzungen für das stille Factoring
Da die Factoring-Gesellschaft die Debitoren nur geringfügig prüfen kann, stellt sie bestimmte Ansprüche an die leistungsnehmenden Firmen. So gilt hier nicht nur, dass die Rechnung unstrittig, einredefrei und vollständig erbracht wurde. Außerdem müssen Sie als Unternehmen auch eine gute Bonität und Ertragslage nachweisen mit einem Mindestjahresumsatz von acht bis zehn Millionen Euro. Darüber hinaus brauchen Sie wie bereits erwähnt, ein gut organisiertes Debitorenmanagement und eine ausreichende Eigenkapitalquote. Übrigens: Im Bezug auf die DSGVO ist es nicht möglich, das stille Factoring im Gesundheitswesen zu betreiben. Hier benötigen Sie generell die Einwilligung der Patientin oder des Patienten für den Factoring-Prozess.
Stilles Factoring in der Steuer und Bilanzierung
Hinsichtlich des Steuerrechts funktioniert die Buchhaltung beim stillen Factoring genauso wie bei der offenen Variante. Betreiben Sie jedoch stilles und unechtes Factoring, dann fallen die Forderungen weiterhin in Ihre eigene Bilanz. Nur Forderungen, die Sie vor dem Bilanzstichtag verkaufen, werden bei der Bilanzierung nicht berücksichtigt wie etwa beim echten Factoring. Nur die stille Variante als echtes Factoring verkürzt also die Bilanz und wirkt sich damit positiv auf Eigenkapitalquote aus.
Vor- und Nachteile des stillen Factorings
Durch das stille Factoring verringern Sie vor allem das Ausfallrisiko. Denn manchmal werten Debitoren den Forderungsverkauf immer noch als Misstrauensvotum. Des Weiteren bringt Ihnen das Factoring einen Wettbewerbsvorteil. Die Innenfinanzierung bleibt gegenüber Ihrer Konkurrenz verborgen, genauso wie die Informationen zum Factoring-Anbieter. Von folgenden Vorteilen profitieren Sie beim stillen Factoring:
- Gesicherte Firmenliquidität durch sofortige Auszahlung der Forderungssumme
- Sicherer Geldeingang und damit mehr Planungssicherheit
- Verbesserte Bonität und Bankenrating
- Problemloser Verkauf von Forderungen trotz Abtretungsverbot
Was ist das Abtretungsverbot?
Bei einem bestehenden Abtretungsverbot dürfen Sie offene Forderungen nicht verkaufen. Die einzige Ausnahme besteht bei B2B-Geschäften. Allerdings steht es einem Geschäftskunden dann trotzdem noch zu, die Forderungen beim Unternehmen und nicht beim Factor zu begleichen.
Auf der Seite der Nachteile stehen beim stillen Factoring vor allem die erhöhten Gebühren trotz geringerer Serviceleistungen. Denn zum einen besteht für den Factor ein erhöhtes Risiko und zum anderen kann keine Entlastung des Mahnwesens stattfinden. Daher eignet sich das stille Factoring lediglich für Firmen, bei denen keine andere Art des Factorings funktioniert.
Was kostet stilles Factoring?
Wegen der Risiken gib es nur wenige Anbieter vom stillen Factoring. Außerdem erhebt der Factor oft einen Zuschlag auf die Factoringgebühr oder die Gesellschaft reduziert die Quote der Erstauszahlung. So überweist die Factoring-Firme Ihnen zum Beispiel bei Rechnungseingang nur 70 bis 80 statt 80 bis 90 Prozent der Forderungssumme.
Preisbeispiel stilles Factoring
Bei einem Factoringumsatz von 9 Millionen Euro jährlich entsteht für das Unternehmen eine Factoringgebühr von 0,26 Prozent. Der Zinssatz liegt bei 2,25 Prozent. Dadurch fallen monatlich etwa 3.825 Euro Kosten für das stille Factoring an. Übrigens: Diese Summe erscheint auf den ersten Blick hoch, rechnet sich jedoch je nach Forderungssituation in Ihrem Betrieb. Entgehen Ihnen aufs Jahr gesehen mehr Umsätze durch nicht beglichene Forderungen oder Verzugsrechnungen, gleicht das Factoring dies wieder aus.
Unser Fazit
In bestimmten Fällen gilt das stille Factoring als die bessere Lösung. Welche dieser Optionen zu Ihrem Betrieb passt, hängt von Ihrer individuellen Forderungssituation ab. Es zeigt sich jedoch eine deutliche Tendenz: Mittelständisch Unternehmen wählen öfter das offene Factoring, um die eigene Buchhaltung zu entlasten. Hier spielt der Serviceaspekt eine größere Rolle als die individuelle Ansprache der Debitoren. Letzteres ist vor allem für Großunternehmen mit langjährigen Geschäftsbeziehungen ein wichtiger Punkt.
